Ein System, das an allen Ecken brennt

26.10.2025: Wenn in Österreich planbare Operationen gestrichen werden, weil Personal fehlt, wenn ein 19-Jähriger über 40 Minuten auf einen Notarzt warten muss, und deshalb verstirbt und wenn eine Frau stirbt, weil kein Intensivbett in Reichweite frei ist, dann sind das keine tragischen Einzelfälle mehr. Diese drei Ereignisse der letzten Tage sind vielmehr ein schonungsloser Blick auf ein Gesundheitssystem, das unter strukturellem Druck steht – überlastet, zersplittert und zunehmend ungerecht verteilt.

Im Kepler Uniklinikum Linz werden ab November monatlich 150 Operationen weniger als ursprünglich geplant durchgeführt, weil Anästhesist:innen und Pflegekräfte fehlen. Das ist kein organisatorisches Problem, sondern Ausdruck eines Personalmangels, der sich seit Jahren abzeichnet. In der Steiermark konnte einem jungen Mann nicht mehr geholfen werden, weil der Notarzt viel zu spät kam während die anwesenden Rettungssanitäter:innen dieses Fehlen nicht kompensieren konnten. Ein dramatisches Beispiel dafür, wie lückenhaft unsere präklinische Versorgung geworden ist. Und in Rohrbach verlor eine Frau ihr Leben, weil kein einziges Intensivbett in der Region – immerhin ganz OÖ – frei war. Das zeigt, wie gefährlich es wird, wenn regionale Ressourcen nicht aufeinander abgestimmt sind.

Diese Fälle sind Symptome eines Systems, das seit Jahren vor allem verwaltet, statt gestaltet zu werden. Die Verantwortung dafür liegt nicht bei einzelnen Ärzt:innen, Pfleger:innen oder Sanitäter:innen. Die kämpfen jeden Tag an der Belastungsgrenze. Das Problem liegt in einem politischen Fleckerlteppich, in dem jedes Bundesland sein eigenes System plant, eigene Strukturen pflegt und dann in vielen Fällen auch noch Reformen blockiert, wenn sie nicht ins eigene Schema passen. Es ist daher höchste Zeit, das österreichische Gesundheitswesen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wir brauchen eine einheitliche, bundesweite Planung, die Personalressourcen, Spitalsstandorte, Rettungsnetz und Versorgungsaufträge koordiniert. Ob jemand rechtzeitig behandelt wird, darf nicht vom Wohnort abhängen. Gesundheitspolitik muss endlich Gesamtverantwortung übernehmen – nicht an neun Landesgrenzen enden.

Genauso dringend ist eine Reform des Sanitätergesetzes. In Österreich sind Notfallsanitäter:innen im internationalen Vergleich deutlich eingeschränkt – sie dürfen viele lebensrettende Maßnahmen nicht durchführen, weil ihre Ausbildung kürzer ist und Kompetenzen fehlen. Österreich ist umgeben von Ländern wie Deutschland oder der Schweiz in denen das längst anders ist: Dort sind Notfallsanitäter:innen umfassend ausgebildet und können im Notfall auch ohne Notarzt medizinisch professionell handeln. Statt maximal 980 Stunden Ausbildung reden wir dort von 3jähriger Ausbildung. Damit sind Notfallsanitäter:innen zu deutlich mehr befähigt und befugt. Genau das brauchen wir auch hier, um Menschen schneller und sicherer helfen zu können. Anstatt das Sanitätergesetz (SanG) endlich zu novellieren, eine professionalisierte höchste Ausbildungsstufe einzuführen, wird aber auch hier vor allem von Bundesländern blockiert. Zu groß ist der Unwille historisch gewachsene Strukturen kritisch zu hintefragen und umzustellen. 

Die aktuellen Probleme zeigen: Wir können uns diesen föderalen Stillstand nicht länger leisten. Wenn Landeshauptleute notwendige Reformen blockieren, geht es nicht um politische Machtspiele, sondern um Menschenleben. Die Aufgaben im Gesundheitswesen müssen endlich dort gebündelt werden, wo sie hingehören – beim Bund. Mit klaren Zuständigkeiten, fairen Arbeitsbedingungen und modernen Strukturen.

Und bevor jetzt jemand „Hey, aber ihr wart 5 Jahre in Verantwortung“ sagt, komme ich lieber gleich selber damit. Stimmt, das waren wir. Und in diesen 5 Jahren haben wir nicht selten gegen den Willen der Bundesländer, aber auch der Sozialversicherungen und nicht selten gegen den Willen der Ärztekammer Maßnahmen und Reformen auf den Weg gebracht, die davor jahre- und jahrzehntelang undenkbar waren. Deshalb sage ich auch, dass die aktuelle Politik dort weiter machen muss, wo wir mit Ende der Regierungsbeteiligung aufgehört haben. Zeit wäre es, das Angebot hier die Regierung zu unterstützen gab und gibt es. Einzig, wir nehmen das notwendige aber halt auch mit Reibung verbundene Engagement der Regierung nicht wahr. Statt Maßnahmen und Reformen weiterhin proaktiv einzufordern, überlässt man den Ländern, aber auch den SVen wieder die Möglichkeit zum blocken.

Was es jetzt braucht, ist politischer Mut. Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und den Stillstand zu beenden. Denn Gesundheit darf keine Frage des Bundeslandes sein – sondern eine Frage des gemeinsamen Handelns für alle Menschen in Österreich.

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