Skandal

Im Petitionenausschuss des Nationalrats kommen Petitionen und Bürger:innen-Initiativen zur Debatte. Wir schauen uns diese Anliegen an, holen Stellungnahmen von relevanten Stakeholdern ein, diskutieren darüber. Am Ende wird das Anliegen dann entweder einem Ausschuss zur weiteren Behandlung zugewiesen oder zur Kenntnis genommen. Letzteres bedeutet zwar, dass es keine weitere parlamentarische Behandlung gibt, heißt aber nicht, dass das Anliegen ignoriert wird. Manchmal gibt es bereits gesetzte Maßnahmen oder eine andere Sicht der Dinge, manchmal sprechen auch rechtliche Gesichtspunkte gegen ein Anliegen, und wieder manchmal ist das Anliegen einfach schon erledigt oder es gibt die Zuständigkeit des Bundes nicht dafür. Was aber jedenfalls nie der Fall ist: dass uns ein Anliegen egal wäre.

Natürlich wird das unterschiedlich gesehen, der Standort definiert auch hier den Standpunkt. Als Opposition wird jede zur Kenntnis genommene Petition und jede zur Kenntnis genommene Bürger:innen-Initiative natürlich als negiert, als abgelehnt, als die Interessen des Volkes ignorierend geframt. Auch das gehört zum politischen Alltag. Ganz besonders heftig werden Reaktionen dann, wenn das Anliegen besonders einfach, besonders populistisch formuliert wird. Gerade dann, wenn Verhandlungsgegenstände von Abgeordneten eingebracht werden, fallen Reaktionen besonders stark aus. 

Ein Beispiel dafür ist eine Initiative, die sich für die Aufnahme von Pflege in die Schwerarbeiter:innen-Regelung einsetzt. Wer könnte da schon dagegen sein? Weil Pflege schwere Arbeit ist, und eine entsprechende Wertschätzung verdient. Was halt nicht gesagt wird: die Schwerarbeiter:innen-Regelung hat eine Reihe von Voraussetzungen definiert, die es zu erfüllen gilt, um dann auch konkret in den Genuss derselben zu kommen. Oder wie es in dieser Zusammenfassung treffend beschrieben wird:

„Die Petition spricht das Bedürfnis der Mitarbeiter:innen in der Pflege an, dass ihre Arbeit als Schwerarbeit wahrgenommen wird. Es ist auch eine schwere Arbeit. Die Aufnahme von Pflegetätigkeit in die Schwerarbeitsliste würde jedoch so gut wie keine realen Auswirkungen haben. Frauen – und diese Gruppe bildet den weitaus größten Teil der in der Pflege beschäftigten Menschen – gingen 2021 mit durchschnittlich 29,5 Jahren aus einer Pflichtversicherung und 6,1 Jahren aus Kinderbetreuungszeiten in Pension. Ihnen fehlen also im Durchschnitt auf die Mindestvoraussetzung für die Schwerarbeitsregelung von 45 Versicherungsjahren fast zehn Jahre. Diese zehn Jahre würden nicht einmal dann erreicht werden, wenn die vollen Ausbildungszeiten von drei Jahren angerechnet und alle Frauen bis 65 arbeiten würden.

Die Anrechnung allein von Ausbildungszeiten in der Pflege auf die Pension ist überdies selbstverständlich aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, was u.a. der SPÖ halt egal zu sein scheint. Und weil dies alles evident ist, haben wir uns in der Pflegereform für die Vereinheitlichung der Bestimmungen für eine sechste Urlaubswoche in der Pflege entschieden und der Klarstellung, dass Nachtgutstunden nicht auf diese sechste Urlaubswoche angerechnet werden können. Das sind konkrete allen zugute kommende Maßnahmen. Wir wissen auch, dass es noch weiterer Schritte bedarf, die großteils jedenfalls nicht allein im Bereich des Bundes liegen. Das ist schade und eine Feststellung, die alle schon nervt. Wir verstehen auch, dass dies nervt, nur ändert es nichts an den Umständen. Wir wissen, dass es die Beschäftigten nicht interessiert, warum ihre Arbeitsbedingungen schlecht sind. Wir wissen aber auch, dass populistische Scheinmaßnahmen bereits kurzfristig die Menschen nur stärker empören. Der diskutierte Vorschlag ist jedenfalls populistische Scheinpolitik.

Ich finde diese zwei Absätze fassen es gut zusammen. Nicht nur deshalb halte ich eine Kenntnisnahme für angebracht. Auch weil wir eine Pflegereform auf den Weg gebracht haben: 20 Maßnahmen und Pakete, welche in Summe für die Beschäftigten in der Pflege mehr bringen werden, als eine Einzelmaßnahme, die vom überwiegenden Großteil der Betroffenen niemals genutzt werden kann. Dass es zudem verschiedene Zuständigkeiten und Kompetenzverteilungen zwischen Bund, Länder und Kommunen gibt, die am Ende einzelne Maßnahmen zusätzlich erschweren, sollte auch bekannt sein, und anerkannt werden. Eine zweite – ähnlich lautende – Bürger:innen-Initiative wurde in der selben Sitzung ebenfalls zur Kenntnis genommen. Auch hier mit dem Hinweis auf bereits gesetzte und auf mitten in der Umsetzung befindliche Maßnahmen, ebenso wie auf die oben erwähnten Umstände. 

Generell wünsche ich mir, dass gesetzte Maßnahmen, dass getroffene Änderungen und auf den Weg gebrachte Reformen anerkannt werden. Wer immer „Mordor“ schreit darf sich nicht wundern, wenn Sauron gewählt wird. Es ist zudem bemerkenswert, dass wir im Dezember 2022 eine ähnliche Debatte geführt haben, als meine Kollegin Bedrana Ribo richtigerweise auf den Denkfehler im Antrag der SPÖ zur Schwerarbeiterregelung hinwies. Auch damals wurde ihr etwas unterstellt, was sie nie gesagt hatte. Schade, denn auch das verdirbt jede Debatte. Dass es für die Pflege mehr braucht, stellt niemand in Abrede, auch wenn uns manche das unterstellen. Aber ich weiss auch, wer wofür im System Verantwortung zu übernehmen hat, und wo wir als Bund eingreifen und für Veränderung sorgen können. Dort greifen wir auch hin, und dort agieren wir auch.

Statt also konstruktiv und gerne auch kritisch im Sinne der Betroffenen zu arbeiten, wird halt versucht die Haltung der eigentlich verbündeten Politiker:innen zu einer Maßnahme zu skandalisieren. Dabei wird dann auch tief in die untere Schublade gegriffen und unterstellt. Das hilft keiner einzigen Pflegemitarbeiterin oder einem Pflegemitarbeiter. Aber hey, es wirkt, als ob man schwer kämpfen würde. Ja, na eh, halt mit den Falschen.

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