Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle hat eine Debatte rund um die Fusion der ehemaligen Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) angestoßen. Seine nunmehrige, späte Einsicht ist bemerkenswert: Er hält die Kassenfusion für einen Fehler und würde sie an zentralen Stellen gerne rückabwickeln – eine Art „Reform der Reform“, also eine Rückkehr zu mehr Föderalismus im System.
In einem Punkt gebe ich Mattle recht: Die Kassenfusion war in vielerlei Hinsicht ein Marketinggag, ein politisches Manöver, das mehr versprochen als gehalten hat. Bereits die damalige Gesundheitsministerin Hartinger-Klein hat das mit ihrer Aussage im Untersuchungsausschuss zum angeblichen „rot-blauen Machtmissbrauch“ zugegeben. Dass nun ein ÖVP-Landeshauptmann das so deutlich ausspricht, ist durchaus bemerkenswert. Wo ich jedoch entschieden widerspreche: Eine Rückkehr zu einem föderalistischen System der Sozialversicherungen ist keine Option – und das aus guten Gründen.
Zum einen ist die ÖGK keineswegs so zentralistisch organisiert, wie Mattle suggeriert. De facto existieren weiterhin neun Landesstellen mit eigenen Abrechnungsmodalitäten, eigenen Verträgen mit den Ärzt:innen und einer darüberliegenden Bundesebene. Die vielzitierte „Zentralisierung“ ist also in der Praxis nie vollständig umgesetzt worden. Genau das war aber eines der Hauptziele der Fusion: eine Vereinheitlichung der Strukturen, um mit einheitlichen Abläufen und Verträgen mehr Effizienz und Transparenz ins System zu bringen. Es sollte endlich einen österreichweit gültigen Gesamtvertrag zwischen der ÖGK und der Ärztekammer geben – ein Ziel, das bis heute nicht erreicht wurde. Bei den beiden anderen großen Sozialversicherungsträgern, der SVS und der BVA, ist ein solcher Gesamtvertrag längst Realität.
Die aktuelle Situation ist daher ein unbefriedigender Zwischenzustand: Ohne einheitlichen Vertrag braucht es weiterhin zahlreiche Entscheidungsbefugnisse vor Ort. Diese wurden im Zuge der Reform zwar bewusst eingeschränkt, um die Vereinheitlichung voranzutreiben, doch solange der Gesamtvertrag fehlt, bleibt das System fragmentiert und bürokratisch. Das führt zu absurden Situationen: In jedem Bundesland gelten andere Rahmenbedingungen, unterschiedliche Honorare und abweichende Leistungsangebote. Patient:innen und Ärzt:innen sind gleichermaßen verunsichert, weil Leistungen in der Steiermark bezahlt werden, in Wien nicht, und in Oberösterreich vielleicht gar nicht angeboten werden.
Wenn wir uns einig sind, dass alle Menschen in Österreich – egal ob in Attnang-Puchheim, im Lesachtal, am Bodensee oder am Neusiedlersee – denselben, gleich guten Zugang zu Gesundheitsversorgung und -dienstleistungen haben sollen, dann ist eine Rückkehr zum alten, föderalen System vieles, aber sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Im Gegenteil: Es braucht endlich den Mut, die begonnene Reform konsequent zu Ende zu denken und umzusetzen. Die vielzitierte „Zentralisierung“ ist bislang ohnehin nur Stückwerk geblieben und hat ihr eigentliches Ziel – mehr Qualität und Gleichheit im Zugang zur Gesundheitsversorgung – nicht erreicht.
Worüber wir tatsächlich diskutieren sollten, ist die rasche Umsetzung eines österreichweit einheitlichen Gesamtvertrags. Die Ärzt:innen beklagen zu Recht die überbordende Bürokratie bei der Abrechnung. Zugleich verhindern Standesvertreter:innen ein modernes Vertragswesen mit Pauschalierungen und klaren, transparenten Regeln. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich, der weder den Ärzt:innen noch den Patient:innen gerecht wird.
Am Ende geht es uns Grünen um eines: eine gute, flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung der Menschen in ganz Österreich durch die Sozialversicherung. Dafür braucht es starke, gut aufgestellte Sozialversicherungsträger und vor allem überall gültige, moderne Verträge, auf die sich alle Menschen verlassen können – unabhängig davon, in welchem Bundesland sie leben.
Statt Ablenkungsdebatten über eine Rückabwicklung der Reform brauchen wir endlich den Fokus auf Qualität, Effizienz und Gerechtigkeit im Gesundheitssystem. Weniger Föderalismus, mehr Verantwortung für eine Versorgung, die überall gleich gut funktioniert – das ist der Weg nach vorne.