Stillfüssing

Stillfüssing ist ein Ortsteil von Waizenkirchen in OÖ. Ein paar Häuser, eine Feuerwehr, ein paar enge Verbindungsstraßen und ein Denkmal für 13 gefallene Mitglieder der Waffen-SS, die dort in den letzten Kriegstagen gefallen sind. Die Waffen-SS ist nicht umsonst im Zuge der Nürnberger Prozesse als “Verbrecherische Organisation” definiert worden. Sie war nicht nur beschönigend ausgedrückt kämpfende Truppe, sondern stellte auch die Wachmannschaften in den KZs, war ursächlich bei der Vernichtung von Jüdinnen und Juden, von Sinti und Roma oder anderen Gruppen im 3. Reich federführend beteiligt. An sich sollte man meinen, dass im Jahr 2021 Das Thema Waffen-SS bekannt sein sollte, und es keine Debatte mehr dazu geben sollte.

Und trotzdem haben wir uns heute am 25.01.2021 in Stillfüssing versammelt. Denn anstatt auch nur den Ansatz eines Hinweises auf das verbrecherische Wesen der Waffen-SS und ihre Rolle im Nationalsozialismus findet man bei dem erwähnten Denkmal nichts, nada, Niete. Somit ist das Grab- und Denkmal auch zur Pilgerstätte von Ewiggestrigen geworden, ist Waizenkirchen wohl oder übel auch sicheres Hinterland und Pilgerstätte für Rechtsextreme, Neonazis und dergleichen. Das Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus in Oberösterreich hat daher zur Mahnwache und Gedenkkundgebung aufgerufen, ich durfte dort neben meiner SPÖ-Kollegin Sabine Schatz und Robert Eiter vom Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus eine Rede halten.

Sabine Schatz in Stillfüssing
Sabine Schatz bei ihrer Rede in Stillfüssing, Photo: Thomas Rammerstorfer

Als der Sprecher des Netzwerks Robert Eiter mich vor einigen Wochen angerufen hat, und gefragt hat ob ich teilnehmen und reden würde, war ich sofort mit an Bord. Dazu brauchte ich nicht lange überlegen, Antifaschismus ist Grüne DNA und da ist es für mich selbstverständlich zu so einer Veranstaltung zu kommen und beizutragen.

Robert Eiter
Robert Eiter bei der Mahnwache in Stillfüssing, Photo: Thomas Rammerstorfer

Etwas länger hat mich dann die Überlegung beschäftigt was ich denn dort sagen möchte. Nach und nach reifte in mir die Überzeugung etwas Persönliches von mir preiszugeben, auch weil ich denke dass es wichtig ist persönlich zu sein und zu werden in solch einer Frage. 3 Aspekte sind mir eingefallen, die ich nachfolgend skizzieren möchte.

Zum ersten ist da meine Familie. Mein Opa ist dem Vernehmen nach 1938 oder 1939 freiwillig zur Waffen-SS gegangen. Er war in Polen und Frankreich. Was er dort gemacht hat, kann ich nicht sagen, es wurde immer dazu geschwiegen. Dass er in der Waffen-SS war habe ich zufällig kurz nach seinem Tod erfahren, als ich damals sein so genanntes “Kriegstagebuch” entdeckte. Auf einer der ersten Seiten war er in der Uniform der SS zu sehen. Meine Oma hat kurz danach das Buch vernichtet, meiner Bitte an sie es zumindest dem Archiv der Stadt Wels zu überlassen, ist sie nicht nachgekommen. Man redete nicht gerne über das was war, schon gar nicht darüber. Erst vor ein paar Wochen, als ich das Geburtsdatum meines Opas brauchte, weil ich etwas in Erfahrung bringen wollte, hat mir mein Vater erzählt dass mein Großvater in Glasenbach/Salzburg interniert war.

Rede Stillfüssing
Bei meiner Rede in Stillfüssing, Photo: Thomas Rammerstorfer

Dem gegenüber steht die Geschichte meines Großonkels, der 1943 oder 1944 von der Waffen-SS zwangsrekrutiert wurde. Er konnte es sich nicht aussuchen, wurde eingezogen. Plötzlich war er Teil einer verbrecherischen Organisation. Warum sind mir beide Geschichten wichtig? Nun, ich habe meinen Opa und den “Onkel Ernstl” wirklich gerne gehabt, beide waren geliebte Menschen. Und dennoch waren beide Mitglieder der Waffen-SS, einer verbrecherischen Organisation. Der eine freiwillig, der andere weniger freiwillig. Es ändert aber nichts daran, dass die SS war was sie war. Sie wird auch nicht über die Personen, die warum auch immer Mitglieder waren, definiert, sondern darüber wofür sie verantwortlich war und ist. Das gilt für meinen Opa und meinen Großonkel genauso, wie für die 13 in Stillfüssing begrabenen Angehörigen der Waffen-SS.

Zum zweiten bin ich in der Nähe von Stillfüssing zur Schule gegangen: 4 1/2 Jahre Internat und Gymnasium in Dachsberg. In der Unterstufe hatte ich mit Pater Rupert Elias einen Deutsch- und Geographielehrer, der bereits in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 selber als Schüler in Dachsberg war, und dort die Kämpfe in der Gegend miterlebte. Er erzählte uns immer wieder davon, erzählte wie die Granaten der Artillerie der US-amerikanischen Armee in den Gebäuden in Dachsberg einschlugen. Er erklärte uns wo sich die Stellungen befanden. Alles nur, weil sich die SS und Wehrmachtsteile in der Gegend und in den historischen Gebäuden des Ordens der Salesianer verschanzten. Anstatt zu kapitulieren, träumten hier immer noch einige offenkundig von Großdeutschland oder wollten die Niederlage nicht eingestehen. Während im Osten Österreichs seit 27.04.1945 bereits eine provisorische Staatsregierung unter Karl Renner die Unabhängigkeit Österreichs proklamiert hatte, kämpften 200km westlich davon immer noch Soldaten und SS-Angehörige für ein faschistisches Großdeutschland. Ich habe damals in der Schule es nicht ganz verstanden, warum uns unser Deutschlehrer diese Geschichte immer wieder erzählte, heute glaube ich es nachvollziehen zu können. Die Erlebnisse damals, das fanatische Festhalten an einer Ideologie und Festhalten an einem Eid hatte das alles möglich gemacht. Es hat nicht nur Millionen Tote auf der ganzen Welt ermöglicht, sondern auch die 13 Toten in Stillfüssing zu verantworten.

Zum dritten habe ich 7 Jahre meines Lebens in Offenhausen gewohnt. Jenes Offenhausen, das jahrzehntelang mit dem Dichterstein einen Treffpunkt für Rechtsextreme und Neonazis aus ganz Europa bildete. Aber nicht nur, dass ich in Offenhausen gewohnt habe, stand unser Haus direkt neben dem Weg zum Dichterstein. Also gingen bei uns regelmäßig Rechtsextreme und Neonazis, Ewiggestrige und Ähnliche vorbei, um am Dichterstein ihrem kruden Weltbild nachzukommen.

Dichterstein heute
Der (zum Glück) verfallende Dichterstein in Offenhausen, Photo: Ralph Schallmeiner

Der Dichterstein selber war für mich und meine Freund*innen immer ein Spielplatz, und doch waren die Leute die dort hin pilgerten komische Leute, seltsam anmutend. Meine Eltern hatten für diese Leute nie recht viel über.
Ich weiß es also, was es bedeutet in einem Ort zu leben, der eine Pilgerstätte für derlei Leute ist. ich weiß was es bedeutet, wenn der eigene Heimatort immer wieder mit entsprechenden Zuschreibenden in den Medien zurecht erscheint.

Dichterstein 2
Detailbild Dichterstein Offenhausen, Photo: Ralph Schallmeiner

Die Frage, die ich daher heute abschließend gestellt habe: Will man das alles wirklich auf sich nehmen? Will Waizenkirchen wirklich als sicherer Rückzugsraum für Rechtsextreme und Ewiggestrige gelten? Will man wirklich den Kontext in dem die Kampfhandlungen der letzten Kriegstage stehen ausblenden, will man das Wesen und den Charakter der Waffen-SS nicht erwähnen, und so denen die zu solchen Stätten pilgern einen Gefallen tun?
Ich für meinen Teil würde diese Fragen allesamt mit Nein beantworten, wenn ich Bürgermeister der Gemeinde Waizenkirchen wäre. Ich würde daher auch den Textvorschlag den es für eine Zusatztafel seitens des “Schwarzen Kreuz” gibt dorthin geben, wo er hingehört, nämlich in den Schredder. Nicht weil er vom “Schwarzen Kreuz” kommt, sondern weil er den verbrecherischen Charakter der Waffen-SS ausspart, und das geht aus meiner Sicht nicht. Die örtliche ÖVP würde gut daran tun, endlich im Jahr 2021 anzukommen, und Dinge als das zu benennen was sie sind. Im Falle der Waffen-SS eben als “verbrecherische Organisation”.

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