Arbeitskreis

Das klassische Motto möchte man fast meinen. Immer wenn umstrittene Entscheidungen anstehen, dann gibt es zwei Optionen: entweder es wird entschieden, oder es wird nochmals eine Schleife gezogen, in dem Arbeitskreise, Austauschformate oder Abstimmungsrunden eingesetzt werden. Manchmal wirkt letzteres grotesk. Vor allem dann, wenn alle Daten und Fakten erkennbar am Tisch liegen, und es im Endeffekt ein Ja oder ein Nein braucht. 

Aber ganz oft sind die Umstände auch ein bisserl komplexer und differenzierter zu sehen, gerade in volatilen Situationen ist es nicht selten gescheit immer mal wieder einen Schritt zur Seite zu machen, gemeinschaftlich die Situation zu bewerten und dann zu entscheiden. Noch dazu, wenn es verschiedene Aspekte und Disziplinen zu beachten gilt, macht eine Kommission oder ein Arbeitskreis Sinn.

Aktuell erleben wir eine solche Diskrepanz wieder: „Impfpflicht, ja oder nein?“ lautet die Frage. Auf der einen Seite stehen Landeshauptleute, die damals auch aktiv die Impfpflicht als Reaktion auf die Delta-Welle eingefordert haben, damit wir im Herbst und Winter nicht wieder von einem Lockdown und einer Beschränkung in die anderen taumeln. Auf der anderen Seite gibt es die Herausforderung, dass die Parameter für den kommenden Herbst und den folgenden Winter noch nicht klar sind. Wir wissen heute noch nicht, was uns in den kommenden Monaten pandemiebedingt erwartet. Die Einschätzungen gehen von endemisch bis zu möglicherweise wieder eine neue pathogenere Variante, die uns wieder mehr als aktuell Omikron fordern wird. Aber das sind Einschätzungen, und keine Fakten.

Das war im Vorfeld der Impfpflicht bereits bewusst, dass es eine Reihe von Unwägbarkeiten gibt und wohl auch weitere dazu kommen werden. Darum haben wir auch eine begleitende Evaluierung im Gesetz festgeschrieben, bei der Expert:innen aus verschiedenen Fachrichtungen sich beständig die Situation ansehen werden, diese bewerten und Ableitungen der Politik präsentiere werden. Das kann am Ende bedeuten, dass es keine Exekution der Impfpflicht gibt, genauso wie es bedeuten kann, dass eine Umsetzung der Phase 3 der Impfpflicht mit automatisierten Strafen erfolgen muss. Die Bandbreite ist entsprechend, und die letztendlich zu treffenden Entscheidungen können aus fachlicher Sicht heute nicht vorweggenommen werden.

Umso erstaunlicher sind daher die Ausritte mancher Landeshauptleute aktuell. Das kann mit kalten Füßen zusammenhängen. Das kann auch ein Hinschielen auf Wahlen sein. Das kann auch damit zusammenhängen, dass man einen Minister eins auswischen will. Letzteres beziehe ich dezidiert auf die Frage der Datenbank für die Ausnahmen bei der Impfpflicht, wo die Länder seit zumindest Wochen (wohl eher seit Anfang an) wussten, dass sie in der Pflicht sein werden, und nicht der Bund. Egal warum, in allen Fällen ist es weder evidenzbasiert noch sonderlich förderlich. Und es macht auch das letzte Bisserl Vertrauen in die Politik kaputt. Zudem ist es aus meiner Sicht ein Zeichen von falschem Selbstverständnis. Denn wer sind die Landeshauptleute eigentlich, und welche Grundlage gibt es dafür, dass sie ständig ein eigenes Supperl kochen? Diese Frage mag ketzerisch erschienen, aber in Anbetracht der Pandemie seit 2 Jahren, und der nur mäßig vorhandenen Kooperationsbereitschaft mancher, und dem ebenso ausgeprägten Hang zum „Nach mir die Sintflut“ einiger dieser Landesfürsten, ist sie berechtigt. Meine Kollegin und Grüne Klubobfrau Sigi Maurer hat das auch heute nochmals recht gut im Interview mit dem Morgenjournal dargelegt, das Interview kann hier nachgehört werden.

In der gegenwärtigen Situation finde ich es intelligenter auf die Einschätzungen von Expert:innen zu vertrauen, als auf die Meinungen von selbsternannten Expert:innen in Person von LHs mit Eigeninteressen. Noch dazu, wenn diese es in den letzten Monaten mit fragwürdigen Pandemie-Einschätzungen auf die Titelseite der regionalen Kronenzeitungsausgabe geschafft haben (und diese Titelseite eine Anklage der Corona-Politik im Bundesland war). 

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