Impfen

„Und, wie geht es dir mit der Empfehlung der Kommission?“, wurde ich gestern gut ein dutzend Mal gefragt. Gemeint ist die Empfehlung der Kommission auf Strafen bei der Impfpflicht fürs erste zu verzichten, und nach einer nochmaligen Evaluierung weiter zu schauen. Wie es mir geht, ist eigentlich recht egal in der Sache, weil es nicht um meine Gefühlslage oder meine Emotionen mit einer Empfehlung geht, sondern schlicht und ergreifend damit, wie wir mit Eingriffen in die Individualrechte von uns allen umgehen wollen. Das ist keine Frage der Emotion, sondern eine Frage von Fakten und Abwägung. Und nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ich bin weiterhin der Überzeugung, dass die Impfpflicht als Ultima Ratio ihre Berechtigung hat. Wir haben sie als Notwendigkeit umgesetzt, nicht weil wir alle es so lässig finden, das zu machen. 

Die Kommission hat gemacht, wofür wir sie ins Gesetz aufgenommen haben: sie hat sich die aktuelle Lage angeschaut, einen Blick nach vorne gewagt, abgewogen. Herausgekommen ist eine Empfehlung, die weiterhin klarstellt, dass die Impfung unser bestes Werkezeug in der Pandemie ist. Genauso ist sich die Kommission im Klaren, dass wir im Herbst wieder mit einer Welle rechnen müssen, bei der die zugrunde liegende Variante leicht möglich wieder schwere Auswirkungen haben kann. Was sie auch feststellt: dass eine Strafe für die Verletzung der Impfpflicht aktuell nicht angemessen sei. Das alles sagt nicht irgendwer, das sagen 4 Expert:innen, deren Meinungen in der Fachwelt anerkannt sind. 4 Expert:innen aus den Gebieten der Medizin und der Rechtswissenschaften. Und diese 4 Expert:innen treffen diese Einschätzung nicht daheim am Küchentisch mit einem Würfel in der Hand, sondern schauen sich Fakten, Zahlen, Daten an. 

Es ist alles auch immer die Frage, ob der Staat in die individuellen Freiheitsrechte eingreifen darf, und ob der Staat Menschen zu etwas was die persönliche körperliche Integrität betrifft, verpflichten darf. So etwas darf nur in seltenen, klar abgegrenzten Fällen erfolgen. Also beispielsweise, wenn das Gesundheitswesen – ein „dringendes gesellschaftliches Bedürfnis“ – vor dem Kollaps steht. Dieser Fall ist aktuell nicht gegeben, sagen die Zahlen. Und genauso wie wir eine Impfpflicht begründen müssen, müssen wir auch alle anderen Maßnahmen gut begründen. Jede der gesetzten Maßnahmen der letzten 2 Jahre muss jederzeit einer Prüfung standhalten, und tut es auch meistens. Ja, es gab in der Vergangenheit auch Aufhebungen durch den VfGH, und diese waren wichtig, weil sie aufgezeigt haben, wo die Exekutive besser arbeiten muss. Aber die Anzahl der Hebungen ist nicht wie von manchen Maßnahmen-Gegner:innen immer dargestellt in Masse erfolgt. Umso wichtiger, dass jeder Eingriff und jeder Schnitt, den wir machen, auch gut begründet, ausführlich dargelegt und vor allem mit Evidenzen unterfüttert ist. Wenn wir diese Daten nicht haben, wenn wir das nicht belegen können, dann dürfen wir diese Maßnahmen auch nicht länger als notwendig vornehmen. Diese Frage der Verhältnismäßigkeit bei all dem wird zu gerne vergessen und übersehen. 

Ja, das Bild gestern mit 44.000 Neuinfektionen und gleichzeitig einem Aussetzen der Impfpflicht ist kein gutes. Aber die Impfpflicht ist keine Maßnahme für das Hier und Jetzt, für das Heute. Sie ist eine Maßnahme für den Herbst, und unser Ziel muss es sein, dass möglichst alle im Herbst hinein geboostert und geimpft sind, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Das Heute ist eine andere Ebene. Die Öffnungsschritte vom 5. März schlagen sich nieder, umso wichtiger, dass wir alle weiterhin vernünftig agieren. Nur weil eine Maske nicht mehr vorgeschrieben ist, bedeutet es nicht diese nicht weiterhin zu tragen. Ich für meinen Teil belasse die Maske überall oben, wo ich sie auch bisher getragen habe. Das gilt für die Ausschuss-Sitzungen und Plenarsitzungen ebenso wie für den Gewand-Einkauf. Und ich überlege mir immer noch ob ich wo hingehe, wo ich nicht unbedingt muss. Heute Abend beispielsweise spielen die formidablen BulBul in Wien im Chelsea, und ich bin immer noch schwer am Wigelwagel, ob ich hingehe oder nicht, auch wenn Wien angesichts der besonderen Situation als Großstadt nochmals striktere Auflagen hat. 

Also: ich sehe das recht emotionslos, was die Kommission gestern empfohlen hat, weil meine Emotion auch nicht entscheidend ist. Nein, ich sehe darin auch keinen wie auch immer gearteten Sieg von Gegner:innen der Maßnahmen oder sonst wem im Land. Die Empfehlung ist schlicht und ergreifend das Ergebnis einer Abwägung. Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Wochen weitere Informationen, Evidenzen, Daten dazu kommen werden, und die Impfpflicht nach einer erneuten Evaluierung scharf geschalten wird, damit wir im Herbst mit einer hohen Durchimpfung vorbereitet sind. Bis dahin aber gilt auch immer noch, dass wir wissen, was uns hilft. Umso mehr wäre es wichtig diese Werkzeuge zu nutzen. 

Den Bericht der Kommission findet ihr übrigens auf der Website des Bundeskanzleramts.

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