Pflege braucht echte Lösungen: Warum die aktuelle Schwerarbeitsregelung nicht reicht

Die jüngsten Ankündigungen der Bundesregierung zur Aufnahme der Pflegeberufe in die Schwerarbeitsregelung sorgen für Schlagzeilen. Doch wer genauer hinsieht, erkennt rasch: Die Regierung bleibt bei den zentralen Herausforderungen in der Pflege Antworten schuldig. Die Probleme in der Branche sind tiefgreifend – und kosmetische Korrekturen reichen nicht aus, um die Situation nachhaltig zu verbessern.

Pflegekräfte leisten tagtäglich Schwerstarbeit – körperlich wie psychisch. Sie arbeiten im Schichtdienst, an Wochenenden und Feiertagen, oft unter enormem Zeitdruck und mit zu wenig Personal. Die Belastungen reichen vom Heben schwerer Personen über den Umgang mit Desinfektionsmitteln bis hin zu emotional extrem fordernden Situationen mit schwerkranken, dementen oder sterbenden Menschen. Die Arbeitsbedingungen sind so herausfordernd, dass viele Beschäftigte den Beruf vorzeitig verlassen – nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil sie einfach nicht mehr können.

Die nun in einer Pressekonferenz präsentierte Aufnahme der Pflege in die Schwerarbeitsregelung ist zwar ein längst überfälliger Schritt, auf den Gewerkschaften und Beschäftigte zu Recht seit Jahren drängen, und doch könnte er sich als Mogelpackung entpuppen. Denn die angekündigte Umsetzung bleibt weit hinter den Notwendigkeiten und noch weiter hinter den Erwartungen zurück. Die Voraussetzung von 45 Versicherungsjahren ist für viele Pflegekräfte, insbesondere Frauen, schlicht unerreichbar. Derzeit erfüllen nur 25 Prozent aller Pensionist:innen diese Bedingung, bei Frauen sind es sogar nur 4 Prozent. Die Folge: Die Mehrheit der Pflegekräfte wird von der neuen Regelung kaum profitieren, weil sie diese hohe Hürde nicht schaffen und den Beruf nicht selten aus gesundheitlichen Gründen schon vor dem Pensionsalter verlassen müssen.

Die vorrangigste zentrale Herausforderung bleibt daher: Wie schaffen wir es, Pflegekräfte im Beruf zu halten und die Pflege für die Zukunft abzusichern? Die Antwort liegt nicht in unerreichbaren Pensionsmodellen, sondern in konkreten Verbesserungen während des Berufslebens. Dazu gehören:

  • Arbeitszeitverkürzung und Entlastungswochen: Maßnahmen wie die Entlastungswoche ab 43 Berufsjahren, die wir Grüne bereits durchgesetzt haben, sind ein Anfang. Doch es braucht mehr – etwa eine generelle Verkürzung der Arbeitszeiten und bessere, vor allem bundesweit einheitliche, Personalschlüssel.
  • Dienstplansicherheit und faire Arbeitsbedingungen: Pflegekräfte müssen sich auf verlässliche Dienstpläne verlassen können. Nur so lassen sich Beruf und Privatleben vereinbaren – ein entscheidender Punkt, um den Beruf attraktiver zu machen. Wir haben das beispielsweise bei mir im Bezirk gesehen: Mit einigen wenigen einfachen Handgriffen konnten wir mehr Planungssicherheit und entsprechend mehr Zufriedenheit herstellen. Das braucht es aber überall und vor allem verbindlich.
  • Vereinheitlichung statt Flickenteppich: Die föderalen Strukturen führen zu einem unübersichtlichen System mit großen regionalen Unterschieden. Wir brauchen österreichweit einheitliche, faire Rahmenbedingungen für alle Pflegekräfte.
  • Wertschätzung durch bessere Bezahlung und mehr Mitsprache: Wer tagtäglich für unsere Gesellschaft da ist, verdient Anerkennung – nicht nur mit Worten, sondern auch mit fairer Entlohnung und echter Mitbestimmung. Mit den drei Pflegereformpaketen unter Johannes Rauch haben wir wichtige erste Schritte dahingehend geleistet. Unser größter Widersacher auch hier war der Föderalismus und die generelle Zuständigkeit der Länder.

Die Fakten sind alarmierend: Bis 2030 werden in Österreich rund 76.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt, um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig geben laut Arbeiterkammer nur 38 Prozent der unter 40-jährigen Pflegekräfte an, bis zur Pension im Beruf bleiben zu wollen. Die Belastung ist so hoch, dass 73 Prozent der Beschäftigten nicht glauben, bis zum Regelpensionsantritt durchzuhalten. Wenn wir jetzt nicht handeln, droht der Pflegenotstand weiter zu eskalieren. Zudem werden wir diese mehr als 70.000 Kräfte nicht aus eigener Kraft stemmen, es wird also auch qualifizierte Zuwanderung und aktives Anwerben brauchen. Alles Aspekte, in denen Fremdenfeindlichkeit und Abschottung à la „Festungsfetisch“ hinderlich sind. Oder anders gesagt: Stumpfer FPÖ-Nationalismus wird die Pflegekrise verschärfen.

Was wir Grüne in Regierungsverantwortung bereits für die Pflege erreicht haben:
Gerade in den vergangenen Jahren konnten wir Grüne in Regierungsverantwortung mit drei umfassenden Pflegereformpaketen wichtige Verbesserungen für die Pflege in Österreich erreichen. Dazu zählen spürbare Gehaltserhöhungen für Pflegekräfte, die Ausweitung der Kompetenzen von Pflegeassistent:innen und Pflegefachassistent:innen sowie gezielte Ausbildungszuschüsse, die den Einstieg und Umstieg in den Pflegeberuf erleichtern. Besonders hervorzuheben ist die zusätzliche Entlastungswoche für Pflegekräfte ab 43 Berufsjahren, die bundesweit eingeführt wurde. Mit dem Demenzzuschlag und der Aufstockung der Mittel für pflegende Angehörige haben wir auch die Situation der Betroffenen und ihrer Familien verbessert. Insgesamt wurden über eine Milliarde Euro in die Hand genommen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Ausbildung zu fördern und die Pflegeberufe attraktiver zu machen. Trotz aller Hürden durch den Föderalismus und die Zuständigkeit der Länder ist es uns gelungen, österreichweit einheitliche Verbesserungen auf den Weg zu bringen und damit ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit der Pflegekräfte zu setzen.

Unser Angebot wäre es daher, mit den lösungsorientierten Parteien gemeinsam echte Lösungen zu schaffen. Diese müssen aber substanzielle Verbesserungen auch in der Realität beinhalten und dürfen keine zahnlosen Papiertiger sein:

  • Eine Schwerarbeitsregelung, die tatsächlich für alle Pflegekräfte erreichbar ist.
  • Einheitliche, bessere Arbeitsbedingungen statt weiterhin föderaler Flickenteppiche.
  • Maßnahmen, die die Attraktivität des Berufs nachhaltig steigern und Pflegekräfte im Beruf halten.

Die Zeit der Placebos muss vorbei sein! Es braucht jetzt mutige politische Entscheidungen, damit Pflegekräfte die Wertschätzung und Entlastung bekommen, die sie verdienen – und damit die Pflege in Österreich eine Zukunft hat.

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